Die Tatsache, dass eine (im konventionellen Sinn) technisch fehlerhafte Fotografie gefühlsmäßig wirksamer sein kann als ein technisch fehlerloses Bild, wird auf jene schockierend wirken, die naiv genug sind, zu glauben, dass technische Perfektion den wahren Wert eines Fotos ausmacht. – Andreas Feininger                                                                                 

Die Streitfrage ist so alt wie die Fotografie selbst: Ist sie nur ein banales Abbild der Wirklichkeit oder erlaubt sie, die Realität genauso subjektiv darzustellen wie Malerei oder Zeichnung? Die kunstfotografische Stilrichtung des Pictorialismus mied jedenfalls ganz bewusst die Auseinandersetzung mit der Realität.

Der Pictorialismus wollte die Fotografie von ihrem “Geburtsfehler” – der objektiven und mechanischen Genauigkeit – befreien und strebte nach der für die Malerei typischen Subjektivität, nach weichen Konturen und “künstlerischer Unschärfe”.

Der Pictorialismus entwickelte sich zeitgleich mit dem Symbolismus und teilte dessen Ablehnung der modernen Welt. Seine Motive waren vorwiegend nostalgisch oder ohne jeglichen zeitlichen Bezug: Die Fotos zeigten Geschichtliches, Mythen, religiöse Motive, Landschaften oder Akte.

So rückwärtsgewandt der Pictorialismus thematisch und ästhetisch war, so gewagt ging er formell vor und entwickelte fotografische Methoden – Weichzeichnung, Spezialobjektive, zeichnerische, grafische oder malerische Nachbearbeitung der Abzüge -, die auch die fortschrittlichsten zeitgenössischen Fotografen anwenden.

Getragen wurde diese gegenläufige Avantgarde von großen Fotografen wie Robert Demachy, Alvin Langdon Coburn, Frank Eugene, Edward Steichen und Alfred Stieglitz. Sie stellten ihre Kreativität in den Dienst einer Kunst, die mehr sein sollte als “nur” Fotografie und die in Europa und den USA rund zwei Jahrzehnte lang den Ton angab.

Text: arte TV

Der Piktorialismus
Posted by check4newton on 1 Oktober 2014
 

Jörg Oestreich

In der Mitte steht also der Mensch.